Rechnungsprüfung
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Bonitäts-Checks: Einmal Röntgen und kein zurück

Bonitätsbewertungen, vor allem weitgehend automatisierte Scorings, ent­scheiden immer öfter, ob KonsumentInnen als Vertragspartner ak­zep­tiert werden. Die AK hat beim Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Akademie der Wis­sen­schaften eine Studie in Auftrag gegeben. Sie setzt sich mit den Methoden des Scorings und den sozialen Folgen auseinander.

Das Ergebnis zeigt: Bonitäts-Checks sind sehr intransparent. VerbraucherInnen tappen im Dunklen – sie wissen oft nicht einmal, dass sie durchleuchtet wer­den, geschweige denn, was an persönlichen Daten gesammelt wird. Die Menge der für Scoringzwecke durchkämmbaren Daten nimmt durch die Di­gi­ta­li­sier­ung schnell zu.

Nicht mehr nur die Zahlungsmoral eines Konsumenten steht im Fokus. Immer öfter geht es um Blicke in die Zukunft: Job, Familienstand, ... Solche statistischen Methoden führen aber unweigerlich auch zu ethischen und rechtlichen Problemen – denn viele Facetten sozialer Wirklichkeit lassen sich nicht in Zahlen abbilden. „Durch sta­tis­tische Prozesse werden Konsumenten klassifiziert und aussortiert“, sagt AK Konsumentenschützerin Gabriele Zgubic.

Die AK verlangt: Es muss klar geregelt werden, wie Bonitätsdaten ge­nutzt werden. Nur so können KonsumentInnen vor intransparenten, aus­ufer­nden Datenanalysen geschützt werden.

Was ist Scoring eigentlich?

Scoring ist, ähnlich wie im Sport, als „Punktevergabe“ zu sehen. Rating (Ein­stuf­ung) und Scoring sind Bewertungsprozesse – mathematische Verfahren zur Be­wert­ung eines bestimmten Verhaltens. Scoring-Methoden versuchen mit Hilfe von Fakten über eine Person, allgemeinen Erfahrungen und statistischen Werten möglichst zuverlässig das Verhalten eines Kunden vorherzusagen.

So wird etwa damit die mathematisch-statistische Wahrscheinlichkeit be­rech­net, mit der ein Kunde seine Zahlungspflichten erfüllen bzw. verletzen wird: Kann sich der/die Konsument/in den Vertragsabschluss leisten, wird er/sie pünkt­lich zahlen und dem Unternehmen lange treu bleiben? Alles, was man über den/die potenzielle/n Vertragspartner/in weiß oder aufgrund statistischer Zu­schreib­ung­en von ihm/ihr auch nur zu wissen glaubt, fließt in einen numer­ischen Wert (den Score) und dann in die unternehmerische Entscheidung ein: bei der Zusage oder Verweigerung eines Vertrages, bei der Festlegung von Kon­ditionen und bei eventuellen Preis- oder Zinsverhandlungen. Die Kredit­würdig­keit und die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls werden mit ein­em Risikowert dargestellt.

Minuspunkte bringen etwa häufige Umzüge – sie gelten als Indiz für einen un­steten Lebenswandel. Junge, ledige Personen und solche, die erst seit kurzer Zeit eine Arbeit haben oder in einer Miet- statt Eigentumswohnung leben, wer­den tendenziell schlechter eingestuft. Scheidungen, unterhaltspflichtige Kin­der, Karenzgeldempfang oder Saison-Arbeit beeinflussen die Boni­täts­be­wert­ung ebenso negativ. Pluspunkte bringt etwa der Status verheiratet.

Wissen ist Macht

Klar ist, dass eine Kreditvergabe nicht ohne Sicherheiten und Überprüfungen ab­laufen kann. So gibt es für Banken auch die Sorgfaltspflicht nach dem Bank­wesen- und Verbraucherkreditgesetz, die Bonität ihrer KreditnehmerInnen zu prüfen. Kreditgeber, Versicherungen, Leasingfirmen, und, und, und – sie ver­such­en seit jeher die Risiken eines Geschäftsabschlusses abzuschätzen und zu ver­ringern.

Firmenintern wird über komplexe Kundenbewertungsmodelle ge­brüt­et, und neue Dienstleister werben für ihre Analysewerkzeuge und Daten­berge, um letztlich bei jedem Unternehmen das Bedürfnis nach (vermeintlich) besserer Absicherung zu wecken.

Damit kommt längst nicht nur bei klas­sisch­en Krediten Credit-Scoring zum Einsatz, sondern auch im Onlinehandel und bei Bestellungen. Die Wirtschaft begründet Credit-Scoring mit der Not­wendig­keit des Risikomanagements, argumentiert mit dem Schutz des Verbrauchers vor Verschuldung und versucht Bonitäts-Checks durch wachsende Daten­meng­en und komplexe Berechnungen zu verfeinern.

AK Studie: Blick in die „Kristallkugel“

Heute sind wirklich alle Verhaltensmerkmale und Daten einer Person in­te­res­sant. „Unendlich viele statistische Annahmen über eine Person fließen in die Bewertung ein“, sagt der Studienautor Jaro Sterbik-Lamina. Bewertungen wer­den hochgradig automatisiert vorgenommen. Die digitalen Scorewerte von Menschen sind nur mehr schwer beeinflussbar.  So kann zum Beispiel von den Han­dy-Standortdaten eines Konsumenten auf seinen Lebenswandel ge­schlos­sen werden (Aufenthaltsorte, Beziehungsverhalten, Nachtruhe).

„Das Schürfen in Datenbeständen, etwa auch in Sozialen Netzwerken, hilft bei der Prognose, ob in drei Jahren noch ein Arbeitsplatz und gemeinsamer Ehehaushalt vor­hand­en ist“, so Sterbik-Lamina. „Solche Faktoren beeinflussen wiederum die Wahr­schein­lich­keit, dass eine Schuld zurückgezahlt werden kann.“

„Es wird nicht nur zurückgeblickt wie war zuletzt das Zahlungsverhalten, son­dern immer öfter vorausgeschaut, um das (wahrscheinliche) Verhalten eines Kon­sum­ent­en in der Zukunft vorherzusagen“, weiß der Studienautor. „Ist in der Praxis schon die Rückschau fehleranfällig, so gilt das für Prognosen umso mehr.“ Dabei werden mittels statistischen Prozessen inzwischen ganze Be­völk­er­ungs­grup­pen klassifiziert und (aus)sortiert. Hinzu kommt der internationale Trend, Scoringmodelle mit externen, mitunter auch daten­schutzrechtlich sen­siblen Informationen anzureichern, die absolut nicht für Bonitätsbewertungen gedacht sind (etwa Einträge in Facebook).

Jonglieren mit Daten

Die AK Studie zeigt: Personen werden mehr und mehr als Risiko- und Kosten­faktor wahrgenommen. Ihre Risikoprofile werden deshalb mit großem Auf­wand verfeinert. Anstrengungen zur Beseitigung sozialer Unsicherheit und Un­gleich­heit­en treten zunehmend in den Hintergrund!

Manche gehen so weit, VerbraucherInnen auch in Bezug auf Scorings ein di­gi­tal­es Abbild (Data Doubles) zuzuschreiben. Ganz nach dem Motto: Dritte wis­sen über mich mehr als ich über mich selbst. Die mögliche Einflussnahme auf die gespeicherten Infos zur eigenen Person schwindet.

Der gläserne Mensch

„Dem durchschnittlichen Verbraucher ist der Einsatz von Scoring-Verfahren, der praktische Ablauf, die verwendeten Variablen und deren Gewichtung un­be­kannt“, betont AK Konsumentenschützerin Daniela Zimmer. „In der Regel er­fahr­en Betroffene nicht einmal ihren tatsächlichen Score. Oft ist nicht einmal be­kannt, dass Scoring durchgeführt wird“, so die AK Expertin.

„Konsumentinnen und Konsumenten sind kaum in der Lage, Scoring-Modelle methodisch zu verstehen und können die Bewertung damit auch nicht in Frage stellen“, sagt Zimmer. Regulierungsdefizit: Angesichts der Relevanz von Scor­ing-Entscheidungen für jede einzelne Person ist das Ausmaß der Regulierung ab­solut dürftig.

Laut Gewerbeordnung dürfen Wirtschaftsauskunfteien An­gab­en über Kreditverhältnisse und Zahlungsfähigkeit eines Schuldners ver­wend­en. Ausdrücklich nicht gedeckt ist die Erteilung von Auskünften über private Ver­hältnisse, die mit der Kreditwürdigkeit in keinem Zusammenhang stehen. Völlig unklar ist, wie weit dieser Zusammenhang ausgelegt werden kann. Viele höchstpersönliche, private und sensible Informationen über das Leben und die Gesundheit können der Vorhersage der Zahlungsausfallwahrscheinlichkeit dienen. Die Auslegung muss eng sein.

Lücken beim Recht auf Auskunft

Möchte ein Verbraucher Auskunft über die zu seiner Person in einer Bo­ni­täts­daten­bank gespeicherten Daten, so ist ihm nach dem Datenschutzgesetz der Dateninhalt vollständig und verständlich mitzuteilen (Codes und Abkürzungen sind etwa zu erläutern). Bei automatisierten Entscheidungsabläufen sollten neben den Kriterien für die Bonitätsbeurteilung auch ihr Gewicht bei der Ge­samt­be­ur­teil­ung offengelegt werden, damit der Ablehnungsgrund für den Be­trof­fen­en nachvollziehbar wird. Die Datenverarbeiter berufen sich dabei aber gerne auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse.

Unverhältnismäßige Abwälzung des Risikos

Automatisierte Bonitäts-Checks bei kleinen Summen und allgemeinen Unter­nehm­ens­risiken sind überschießend und daher einzuschränken. Es ist klar, dass die Kreditvergabe nicht ohne Sicherheiten ablaufen kann. Bedenklich ist der Trend zur Mehrfachabsicherung, bei der etwa ein Bonitätsprofil erstellt, eine Lebensversicherung vinkuliert und noch eine Kreditausfallversicherung zu Lasten des Kreditnehmers abgeschlossen werden.

Die Bank würde sich drei­fach absichern, ohne dass erkennbar ist, worin das unternehmerische Risiko der Bank bestünde, für das eine KreditnehmerIn ja auch zu zahlen hat.

Zweifelhafte Qualität des Scorings: Ohne ständige Prüfung kann das Scoring-Ver­fahren schnell zu falschen Prognosen führen. Eine deutsche Studie aus 2009 analysierte die Datenqualität von Wirtschaftsauskunfteien über Selbst­aus­künfte von Test­personen. Das Ergebnis zeigt: Rund 45 Prozent der Aus­künfte weisen fehlerhafte, unvollständige oder falsche Eintragungen auf.

AK Forderungen

  • Mehr Klarheit für Betroffene: Was in eine Bonitätsbewertung ein­fließt, geben weder Banken noch Wirtschaftsauskunfteien im Detail bekannt. KonsumentInnen sind derzeit darüber zu informieren, wenn Daten über sie verarbeitet werden. Die Auskunft sollte jeden­falls auch die Datenherkunft sowie allfällige Empfänger der Daten umfassen und die grundsätzliche Logik des Bewertungsprozesses offenlegen. Die verschiedenen Bewertungs- und Be­rech­nungs­methoden sind nicht nur offen zu legen, sondern auch durch un­ab­häng­ige Aufsichtsstellen zu prüfen.

  • Nur bestimmte Datenarten verwenden: Die Datensammlung muss sich auf unmittelbar bonitätsrelevante Daten beschränken. Das wären im Prinzip die Einkommenssituation und die zu er­wart­en­den Ausgaben. Zudem dürfen Daten, die zweckfremd erhoben wur­den, nicht in Scoring-Modellen verarbeitet werden. Die Daten dür­fen weder alt noch diskriminierend sein.

  • Unternehmensinterne Kontrollen: Bonitätsdaten dürfen nicht für alle MitarbeiterInnen verfügbar sein. Die Kontrolle über die Ein­halt­ung der Bestimmungen sollte einem betrieblichen Daten­schutz­be­auf­tragt­en übertragen werden.

  • Grenzen setzen: Zweckmäßig wären Verbote für Scorings, bei­spiels­­weise durch Vermieter und in Form von Bagatellgrenzen zur Ein­grenz­ung ausufernden Datensammelns.

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