Angestellte in der Gastronomie
Angestellte in der Gastronomie © pikselstock, stock.adobe.com
15.9.2023

Einmal faire Arbeitsbedingungen, bitte!

Die aktuelle Forba-Studie über die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie und Hotellerie verdirbt einem den Appetit: Sie gilt als Sektor mit „schwierigen Arbeitsbedingungen“, heißt es in der Studie. Und weiter: „Nicht zuletzt wird dies daran deutlich, dass weniger Menschen in dieser Branche arbeiten möchten als Arbeitskräfte gebraucht würden.“

Download

FORBA-Studie

Faire Arbeitsbedingungen!  

Kein Wunder, wenn man folgende Ergebnisse betrachtet: Einkommen im Branchenvergleich an letzter Stelle, häufig schlechtes Arbeitsklima, Überstunden werden nicht oder nicht vollständig bezahlt, falsche oder verspätete Anmeldung bei der Sozialversicherung, oft Arbeitszeiten am Abend, in der Nacht oder am Wochenende.

„Angesichts solcher Umstände wundert es mich nicht, dass vor allem das Gastgewerbe klagt, keine Beschäftigten zu finden“, sagt AK Präsidentin Renate Anderl.

Und Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida, ergänzt: „Die Studie zeigt klar, was unsere Mitglieder seit Jahren beklagen: Bessere Bezahlung und attraktivere Arbeitsbedingungen sind unerlässlich. Trotz unserer Bemühungen bleiben Gespräche mit den Arbeitgebern ohne Erfolg. Kein Wunder, dass die Branche über Personalmangel klagt. Der Hauptgrund? Mangelndes Problembewusstsein und fehlender Mut zu Veränderungen bei gewissen Wirtschaftskammer-Funktionär:innen.“ 

Die Situation im Hotel- und Gastgewerbe ist schwierig. Die Branche war von der Corona-Pandemie wie nur wenige andere betroffen: Obwohl die Unternehmen mit zahlreichen Förderungen unterstützt wurden, sorgten Schließzeiten, Kurzarbeit und diverse Auflagen bei den Beschäftigten für große Unsicherheit. Viele Arbeitnehmer:innen haben deshalb den Sektor temporär oder dauerhaft verlassen. „Die Branche ist nun schrittweise wieder zu einem Normalbetrieb zurückgekehrt, weshalb auch der Arbeitskräftemangel wieder virulent geworden ist“, so Forba-Studienautor Georg Adam. In der vorliegenden Studie werden die zentralen Probleme der Branche aufgezeigt, um Möglichkeiten für dringend notwendige Verbesserungen aufzuzeigen.

Die Ergebnisse 

  • Es sind mit 60% deutlich mehr Frauen als Männer in der Branche beschäftigt. 

  • Die Beschäftigten sind im Schnitt 36 Jahre alt; Männer mit 34 Jahren durchschnittlich jünger als Frauen mit durchschnittlich 40 Jahren. Mitarbeiter:innen in der Gastro sind damit vergleichsweise jung, der Altersdurchschnitt aller unselbständig Beschäftigten liegt bei 40 Jahren. 

  • Im Hotel- und Gastgewerbe ist der Anteil an Beschäftigten, die als höchste abgeschlossene Ausbildung einen Pflichtschulabschluss aufweisen, mit 27% sehr hoch. Zum Vergleich: Über alle Branchen beträgt der Anteil durchschnittlich 12%. 

  • Knapp die Hälfte der Beschäftigten (exakt 46%) ist im Ausland geboren. Zudem arbeiten im Hotel- und Gastgewerbe sehr viele Menschen, die erst seit kurzer Zeit in Österreich leben. 

  • Die Beschäftigungsdauer ist im Mittel mit 33 Monaten wesentlich kürzer als in anderen Branchen. Zum Vergleich: In der Dienstleistung (ohne Gastro) sind die Arbeitnehmer:innen im Schnitt 73 Monate beschäftigt.  

  • Die Betriebsstruktur ist kleinteilig: 39% der Beschäftigten arbeiten in Betrieben mit weniger als zehn Mitarbeiter:innen. 

  • Die vereinbarten Arbeitszeiten im Hotel- und Gastgewerbe liegen bei Männern im Schnitt bei 33,8 Stunden pro Woche, bei Frauen bei 32,6 Stunden pro Woche (Vollzeit- und Teilzeit-Beschäftigte zusammen) – und damit etwas unter dem Schnitt aller Arbeitnehmer:innen. Was auffällt: der hohe Anteil an Männern mit Teilzeitbeschäftigung von 26% und der hohe Anteil von Nacht- und Wochenendarbeit. 62% der Beschäftigten geben an, mindestens jeden zweiten Samstag zu arbeiten. 50% werden an mindestens jedem zweiten Sonntag eingesetzt. 

  • Der Einkommensbericht des Rechnungshofs reiht die mit ganzjähriger Vollzeitbeschäftigung im Hotel- und Gastgewerbe erzielten Einkommen im Branchenvergleich an letzter Stelle ein. 

  • Das Arbeitsklima ist häufig schlecht. Beschäftigte berichten von einem unangemessenen Umgangston, von Diskriminierung und sexueller Belästigung. 

  • Ein immer wieder auftretendes Problem sind nicht oder nicht vollständig bezahlte Mehr- und Überstunden. Auch fehlende Unterlagen wie Dienstvertrag oder Dienstzettel zählen zu den am häufigsten vorgebrachten Problemen in der AK Beratung – ebenso wie Schwarzgeldzahlungen und die falsche oder verspätete Anmeldung bei der Sozialversicherung. 

Das Fazit

Die Arbeitsbedingungen im Hotel- und Gastgewerbe sind extrem schlecht, die Beschäftigten sind aufgrund ihres Alters, ihrer Ausbildung, ihres Geschlechts und ihrer Herkunft besonders leicht ausbeutbar. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung und den unregelmäßigen Arbeitszeiten ist es keine Branche, in der Beschäftigte alt werden. Zudem werden grundlegende Gesetze und kollektivvertragliche Regelungen bezüglich Bezahlung, Arbeitszeit, Ruhezeiten oder die Anmeldung zur Sozialversicherung nicht eingehalten. Durch die hohe Fluktuation wird trotz des viel beklagten Fachkräftemangels laufend betriebsspezifisches Wissen vernichtet.   

So wundert es auch nicht, dass 10% aller persönlichen Beratungen in der AK Wien mit Beschäftigten aus dem Hotel- und Gastgewerbe durchgeführt werden. Die angelegten Interventionsakte betreffen sogar zu 15 Prozent diese Branche. Damit ist die Branche bei den Beratungsfällen deutlich überrepräsentiert, denn Hotel- und Gastro machen nur 6% der Wiener Beschäftigten aus.

Die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer:innen nimmt – nicht zuletzt aus Angst vor dem Jobverlust – erst dann mit der AK Wien Kontakt auf, nachdem das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Zu den Problemstellungen zählen dabei: Wurden alle offenen Ansprüche korrekt abgegolten? Stimmt mein Lohn/Gehalt? Ist die Höhe der Urlaubsersatzleistung in Ordnung? Habe ich meine Überstunden korrekt bezahlt bekommen? Die Menge an Rechtsakten, die auf Grund von Vorsprachen aus dem Hotel- und Gastgewerbe angelegt werden, verdeutlicht: Nur selten sind Abrechnungen so korrekt, dass ein Einschreiten der AK nicht erforderlich wäre.   

Allerdings geht es auch anders. „Es gibt sehr wohl auch positive Beispiele wie das Parkhotel Brunauer und das Hirschwang Parkhotel, die beide eine 4-Tage-Woche eingeführt und die Wochenarbeitszeit auf 36 Stunden gesenkt haben – mit der Konsequenz von zufriedenen und hochmotivierten Beschäftigten.

Auch der Zukunfts-KV, den die Gewerkschaft vida mit den JUFA Hotels abgeschlossen hat, ist ein wichtiges Signal an die Branche. Dieser KV beinhaltet viele Vorteile für die Beschäftigten wie die schnellere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche, ein fixes freies Wochenende und einen Zuschlag für Sonntagsarbeit.

Es ist zu hoffen, dass viele Betriebe aus der Hotellerie und Gastronomie diesem guten Beispiel folgen werden, denn die Zukunft im Hotel- und Gastgewerbe gehört den Mutigen“, sagt vida-Chef Roman Hebenstreit.

Unsere Forderungen

Um die Arbeitsbedingungen in Hotellerie und Gastronomie nachhaltig zu verbessern, fordern AK und vida: 

  • Anhebung des Urlaubsanspruchs: Ab dem 6. Dienstjahr bekommt der/die Beschäftigte alle drei Jahre einen zusätzlichen Urlaubstag. Nach 15 Jahren soll damit die volle 6. Urlaubswoche erreicht sein. 

  • Planbarkeit: Es braucht wirksame Sanktionen, wenn die 14 Tage-Frist bei der Vorankündigung der Dienstpläne nicht eingehalten wird. 

  • Garantierte Freizeit: Die Beschäftigten sollen ein garantiertes freies Wochenende pro Monat erhalten. 

  • Strenge bei Lohn- und Sozialdumping: Mit dem Aufweichen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ist Lohn- und Sozialdumping für Arbeitgeber leichter und billiger geworden. Die gesetzlichen Regelungen müssen wieder verschärft werden. 

  • Der Mehrarbeitszuschlag im Arbeitszeitgesetz soll auf 50 Prozent erhöht werden – dieser Zuschlag soll auch dann gelten, wenn Mehrstunden in Form von Zeitausgleich abgegolten werden. Der dreimonatige Zeitraum, in dem Mehrarbeit zuschlagsfrei in Zeit abgegolten werden kann und der weder praktikabel noch kontrollierbar ist, soll aus dem Gesetz gestrichen werden. 

  • Sanktion bei Nichtausstellung eines Dienstzettels: Der Dienstzettel ist eine wichtige Informationsquelle für Arbeitnehmer:innen. Im Gastgewerbe wird aber häufig kein Dienstzettel ausgestellt – nach jetziger Rechtslage hat das keine Folgen für den Arbeitgeber. In Zukunft soll es daher Sanktionen geben, wenn kein Dienstzettel ausgestellt wird.  

  • 2018 erfolgten Änderungen im Arbeitszeitgesetz und Arbeitsruhegesetz: Im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe ist es dadurch viel leichter geworden, die tägliche Ruhezeit von 12 Stunden auf 8 Stunden zu verkürzen. Diese Regelung muss zurückgenommen und unter Einbindung der Arbeitnehmer:innenvertretung neu gestaltet werden. 

Links

  • © 2024 Bundesarbeitskammer | Prinz-Eugen-Straße 20-22 1040 Wien, +43 1 501 65

  • Impressum
  • Datenschutz