Praxisschock? Berufseinstieg von Lehrer:innen
Das neue Schuljahr hat begonnen und bereits jetzt steht im Vordergrund, Lücken zu füllen. Zu Beginn verkündete Bildungsminister Polaschek, dass aufgrund des Lehrkräfte-Mangels keine einzige Stunde ausfallen werde. Es zeigt sich, wie prekär die Lage an den Schulen Österreichs mittlerweile ist. Aufgrund der großen Pensionierungswelle und der mangelnden Vorbereitung darauf fehlt es an zahlreichen Lehrkräften.
Junglehrer:innen wünschen mehr Unterstützung
Jungen Lehrer:innen einen guten Berufseinstieg zu ermöglichen wäre ein wichtiger Baustein, um ihre Freude, Gesundheit und Motivation am besonderen Beruf der Lehrkraft zu erhalten und ein rasches Aussteigen aus dem Lehrer:innenberuf zu vermeiden. Um herauszufinden, was mögliche Probleme in den ersten Berufsjahren für Lehrer:innen sind, hat die AK dazu eine qualitative Studie an der WU beauftragt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich viele Junglehrer:innen in der Berufseinstiegsphase überfordert fühlen und sich mehr Unterstützung wünschen.
In Österreich beginnt das Vollzeit-Berufsleben für Junglehrer:innen mit einer Induktionsphase (Berufseinführung). Diese hat Begleit- und Weiterbildungselemente, in welcher die Lehrperson auf ihre Befähigung und Berechtigung zur weiteren Berufsausübung hin beurteilt wird. Dazu gehört auch, dass die Nachwuchs-Lehrer:innen von erfahrenen Lehrkräften in einem Mentoring-Prozess begleitet werden.
Schlüsselrolle Onboarding und Mentoring
Dem sogenannten Mentoring kommt in Schulen eine Schlüsselrolle für den gelungenen Berufseinstieg zu. Mentor:innen machen junge Lehrkräfte mit Planung und Gestaltung des Unterrichts sowie der Administration vertraut. Sie helfen auch, die ersten Erfahrungen im Unterricht einzuordnen und zu analysieren. Eine gute Beziehung zwischen Junglehrer:in und Mentor:in kann sehr wertvoll sein:
„Besonders zu meiner Mentorin in Deutsch hatte ich dann einfach ein sehr inniges Verhältnis, weil sie für mich nicht nur für schulische Angelegenheiten eine Ansprechperson war.“ (2018, w, BMHS)
Andere Junglehrer:innen sind enttäuscht, weil sie nicht die erhoffte Hilfe bekommen, vor allem wenn der/die Mentor:in fachfremd ist. Bemängelt wird auch vereinzelt, dass die Gestaltung und der Ablauf des Mentoring unklar sei und ein stabiler Kontakt zur Mentorin / zum Mentor noch fehle.
„Also, den (Mentor) gibt es auch, ja, allerdings mit dem hatte ich jetzt noch (8 Wochen nach Schulbeginn) eigentlich keinen Kontakt.“ (m, HTL, 2022)
Eine Schlüsselrolle beim Onboarding-Prozess kommt auch den Schulleitungen zu. Sie sind zuständig für das Koordinieren des Mentorings und für Informations- sowie Vernetzungsveranstaltungen. Im Idealfall hat die Schulleitung eine klare Vision und bietet Unterstützung während der Induktionsphase. Dafür nötig ist jedoch die entsprechende Koordination und Information durch die Bildungsdirektionen. Das Bildungsministerium ist überdies gefordert, Schulleitungen zu entlasten und zu unterstützen, damit sie am Standort den Berufseinstieg der neuen Kolleg:innen gut begleiten können.
Der soziale Faktor – Kommunikation stärken
Der geringe Altersunterschied zwischen Lehrperson und Schüler:innen ist für Erstere oft mit Problemen und Stress verbunden. Schwierig ist auch, mit persönlichen Schicksalen der Schüler:innen, sowie mit Spannungen zwischen Wissensvermittlung, Erziehungsarbeit, zwischenmenschlichen Beziehungen und Leistungsbeurteilung umzugehen.
Auch verschiedene Leistungsniveaus der Schüler:innen innerhalb einer Klasse sowie unterschiedliche Interessen sind eine Herausforderung. Einen besonderen Druck empfinden Junglehrer:innen, wenn es ihnen nicht gelingt, alle Kinder einer Klasse gleichermaßen in den Unterricht einzubeziehen und zu allen positive Beziehungen aufzubauen. Trotzdem geben sich Junglehrer: innen laut eigenen Aussagen Mühe, ein gutes zwischenmenschliches Verhältnis zu den Schülerinnen und Schülern zu haben, sie managen gerne auch Situationen mit Humor.
In der Ausbildung liegt der Schwerpunkt auf fachlichen Studien und der unterrichtsbezogenen Kommunikation sowie der Interaktion mit Schüler:innen. Die Arbeit mit Eltern und Gespräche mit diesen werden nur wenig berücksichtigt. In manchen Volks- und Mittelschulen werden Junglehrer:innen mit sozialen und psychischen Problemen von Schüler:innen konfrontiert, die sich aufgrund von ökonomischen und sozialen Benachteiligungen der Familien ergeben.
Die Junglehrer:innen sehen sich mit einem Kontrast konfrontiert, aus dem, was sie im Studium gelernt haben und den tatsächlichen Gegebenheiten. Auf die unterschiedlichen Anforderungen der Klassen sind sie nicht ausreichend vorbereitet. Hinzu kommen fehlende Ressourcen an den Schulen, um auf die Herausforderungen individuell reagieren zu können.
An vielen Standorten gibt es zu wenig Schulsozialarbeit, Schulpsychologie und mehrsprachiges Beratungspersonal. Hinzu kommt, dass der Status von Lehrpersonen im Spektrum der professionellen Berufe (Ärzt:innen, Jurist:innen etc.) nur im Mittelfeld rangiert und weniger abgesichert ist, so dass die Unzufriedenheit vieler Junglehrer:innen mit ihrem gesellschaftlichen Image verständlich wird.
Administrative Tätigkeiten als große Belastung
In Medienberichten ist oft die Rede davon, dass die Administration einer der größten UnzufriedenheitsFaktoren für Lehrer:innen ist. Das bestätigt auch die Studie.
„Und es war extrem viel Bürokratie, die man einfach nicht kennt und einfach so ins kalte Wasser geworfen wird, weil du stehst halt von Tag 1 in der Klasse, alleine, und musst einfach alles händeln und hast zusätzlich aber noch ganz, ganz viel Bürokratie abzuhaken.“ (w, NMS, 2022)
„Einfach wieder dieses bürokratische Drumherum und das ist das, was unglaublich anstrengend ist. Das ist auch das, was diesen Job unglaublich unattraktiv macht.“ (w, HAK/HAS, 2021)
Der Wunsch, administrative Arbeiten auf das notwendige Maß zu verringern, um sich der professionellen, nämlich pädagogischen Arbeit zu widmen, ist groß. Umso bedeutsamer ist ein funktionierendes Mentoring, Unterstützung durch Kolleg:innen und die Schulleitung.
Schule als Dienstort stärken
Ein wesentliches Problem, das es so wohl nur in wenigen anderen Berufssparten gibt, ist dass Junglehrer:innen kurzfristig einen anderen Schule oder einen anderem Schultyp zugeteilt werden, für den sie sich nicht beworben hatten.
„Und dann bin ich aber mitten unter dem Jahr, also ich war nicht einmal ein Jahr dort, versetzt worden in eine Mittelschule. (…). Das wollte ich eigentlich gar nicht. Das war damals schon ein Schock.“ (Sonderschullehrerin, w, 21 Jahre)
Es gibt insgesamt zu wenig Planungssicherheit, sowohl für Junglehrer:innen als auch Schulleitungen, da zu kurzfristig über Dienstort, Verträge oder Stundenanzahl entschieden und informiert wird.
Fehlende Anerkennung
Lehrer:innen beklagen häufig ihre zu geringe gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung, wahrscheinlich auch eine Ursache für den Lehrer:innenmangel. Der Fokus des Bildungsministeriums auf Quereinsteiger:innen darf nicht zu einer weiteren Abwertung und Deprofessionalisierung des Berufs beitragen.
„Na klar, ein Außenstehender, der kommt und sagt, na bitte, die Lehrer hackeln ja nichts. Ja. Aber die Vorbereitung, die Nachbereitung, und man muss ja trotzdem schauen, dass es irgendwie rennt. Ja und wenn ich mit der Kollegin sprech, spreche ich ja auch nicht über den Wochenendausflug, sondern bereiten wir meistens auch schon vor.“ (w, AHS, 2015)
Die Studie zeigt, dass es kaum auf den Schultyp ankommt – eine Art Praxisschock gibt es überall. Ebenso gleichen sich die Herausforderungen für Junglehrer:innen.
Welche Schwierigkeiten wurden von Junglehrer:innen genannt?
Zusammenfassend lassen sich folgende Herausforderungen für Junglehrer:innen nennen:
- Informationsmängel
- Administrationsprobleme
- Mängel beim Mentoring
- Unterrichtsvorbereitung und -planung (z.B.: Zeitknappheit)
- Klassenmanagement
- Umgang mit Eltern
- Heterogenität hinsichtlich der Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern
- Unzufriedenheit mit Status und Image des Lehrberufs in der Gesellschaft
- Kritik an der Lehrerausbildung, vor allem bezüglich der Praxisanteile
Was braucht es, um die Missstände, mit denen Junglehrende zu kämpfen haben, zu beheben? Für die AK liegt der Schwerpunkt der Problemlösung in der Ausbildung und einer guten Begleitung der Junglehrer:innen beim Berufseinstieg.
Unsere Forderungen
In der Aus- und Weiterbildung
- Mehr Praxisanteile in der Ausbildung ab dem ersten Semester (beginnend mit einer
Orientierungsphase) mit Supervision und Feedback - Lehrer:innenaus- und –weiterbildung stärker verschränken
- Onboarding für den Berufseinstieg von Lehrer:innen als Teil des Curriculums für die Fortbildung
der Schulleiter:innen
Verbesserung der Induktionsphase bzw. des Berufseinstiegs
- Zeit und angemessene monetäre Abgeltung für Mentor:innen. Fachspezifische Zuteilung der
Mentor:innen. Frühzeitige Einbindung in professionelle Lerngemeinschaften (z.B. durch PeerMentoring) - Schrittweiser Berufseinstieg (Team-Teaching, Lehrassistenz), schrittweise Erhöhung der
Lehrverpflichtung, keine Überforderung durch Einarbeitung in Fremdfächer - Rechtzeitige Informationen und Organisation für einen erfolgreichen Berufseinstieg
- Einführung in organisatorische und administrative Abläufe und in Unterstützungs- und Beratungsangebote durch Mentor:innen, Peers und Schulleitungen.
Verbesserung der schulischen Rahmenbedingungen
- Aufstockung des administrativen Personals, je nach Schultyp: Ganztagsschulen brauchen
ganze nicht halbe Kraft für administrative Tätigkeiten - Lernen von Best-Practice-Schulen gilt es unter den Schulleitungen zu fördern
- Ausreichend Unterstützung und Supervision für Schulleitungen mit dem Ziel sie als
Führungskräfte zu stärken - Schule als Arbeitsplatz attraktiver machen durch Professionalisierung und angemessene
Ausstattung - Erarbeitung von differenzierten Quereinsteigermodellen (auch für Interessierte ohne
Matura/BRP/Hochschulabschluss) mit Stipendien - Angemessene Anerkennung und Anrechnungen von fachspezifischen Vordienstzeiten
- Anerkennung von Abschlüssen und Kompetenzen von Angehörigen von Drittstaaten in pädagogischen Berufen, Weiterbildungsangebote für diese Gruppe (Schulrecht, …)