ISDS: Sonderklagerechte für Konzerne
„Investor-Staat-Schiedsverfahren“, kurz ISDS, bedeutet: Investoren, sprich Konzerne, können Staaten verklagen, wenn neue Gesetze und andere Regulierungen ihre Geschäftspläne durchkreuzen.
INFO
Aufgrund des öffentlichen Drucks gegen ISDS hat die Kommission
- dem Schiedsverfahren in TTIP nun den neuen Namen ICS gegeben.
- ISDS im Freihandelsabkommen CETA (mit Kanada) überarbeitet, wobei es in diesem Fall Tribunal heißt.
Sonderklagerechte für Konzerne sind im Rahmen von TTIP und CETA jedoch weiterhin geplant!
Gefahren durch ISDS
Staaten – und damit die BürgerInnen – haben in solchen privaten Schiedsverfahren nichts zu gewinnen:
- Investoren können bei neuen Regulierungen im
öffentlichen Interesse Schadenersatz einklagen - z.B. bei Maßnahmen zum Schutz
von ArbeitnehmerInnen oder Umweltschutz oder bei Steuergesetzen.
- Demokratische Entscheidungen und Gesetze, die
dem Gemeinwohl dienen, können ausgehebelt werden.
- Hohe Gerichtskosten und horrende Schadenersatzzahlungen
drohen – Geld, das an anderen Stellen fehlt.
- Die europäische Wirtschaft – und damit die Stütze des heimischen Arbeitsmarkts – ist im Vergleich schlechter gestellt, weil sie keine Sonderklagerechte in Europa hat.
Hintergrund: Wer entscheidet über die Klagen?
Derzeit urteilen private Ad-hoc-Schiedsgerichte
über die Sonderklagerechte von Konzernen. Deren Schiedsspruchpraxis ist
widersprüchlich und unberechenbar, in Einzelfällen sogar eindeutig parteiisch. Eine
Berufung ist nicht möglich. Für spezialisierte Anwaltskanzleien sind die zivilen
Schiedsgerichte ein boomender
Geschäftszweig.
Film: ISDS - Das Unrechts-System der Konzerne
Wie Konzerne die Demokratie plattmachen – in 180 Sekunden erklärt.
Beispiel: Die Meinl Bank verklagt Österreich
Die Eigentümerin der Meinl Bank – eine Briefkastenfirma namens Belegging-Maatschappij Far East B.V. – klagt aktuell den Staat Österreich auf 200 Millionen Euro Schadensersatz.
Warum?
Die österreichische Staatsanwaltschaft ermittelt seit Jahren wegen Verdacht auf Betrug, Untreue und Abgabenhinterziehung gegen die Meinl Bank. Deren Anwalt argumentiert nun, dass das Vorgehen der Justiz und der Finanzmarktaufsicht ungerecht und ein absichtlicher Machtmissbrauch sei – wodurch der Bank ein Schaden entstanden sei.
Wie ist das möglich?
Österreich hat mit Malta – so, wie mit 61 weiteren Staaten – ein Investitionsschutzabkommen unterschrieben. Die Meinl Holding hatte Jahrzehnte lang ihren Sitz in den Niederlanden, ist aber vor kurzem nach Malta „übersiedelt“ – wohl, um diese Klage möglich zu machen.
Was heißt das für Österreich?
Die österreichische Republik ist damit erstmals selbst Verklagte vor einem privaten Schiedsgericht und muss sich verteidigen. Die zivilen SchiedsrichterInnen sollen urteilen, ob Österreich den Investor pflichtgemäß „fair und gerecht“ behandelt hat. Nationale Gesetze und Verfahren werden dabei nicht berücksichtigt. Österreich drohen horrende Schadensersatzzahlungen. Und selbst wenn der Staat das Verfahren gewinnt: Rechtsvertretungs- und Verfahrenskosten in Millionenhöhe kommen auf uns zu.
Wenn TTIP wie geplant beschlossen wird, sind solchen Klagen aus den USA Tür und Tor geöffnet.
Was wir fordern
Die gut entwickelte Rechtsstaatlichkeit in der EU und Kanada oder den USA reicht vollkommen, um Unternehmen Schutz zu gewährleisten und ist obendrein günstiger. Selbst wenn die Kommission mit dem USA punktuelle Reformen in TTIP ("ICS") durchsetzen wollen, ändern diese inhalltlich nicht an der Kernkritik. Deshalb fordert die AK: Investitionsschutzbestimmungen und ISDS sollen weder in TTIP noch in CETA oder vergleichbaren Handels- und Investitionsabkommen der EU aufgenommen werden.
ZWISCHENERFOLG
Die AK hat gemeinsam mit einem europäischen Bündnis in zwei Wellen gegen ISDS mobilisiert. Allein im Frühjahr 2014 wurden fast 150.000 Stimmen gegen ISDS gesammelt. 2015 konnte mit rund 45.000 Mails an Europa-ParlamentarierInnen Druck aufgebaut werden. Das Ergebnis: Den ursprünglichen EU-Kommissionspläne in Sachen ISDS wurde eine Absage erteilt. Zwar kam es nicht zur erhofften klaren Ablehnung der InvestorInnenprivilegien, die rege politische Debatte rund um Sonderklagerecht für Investoren hat aber immerhin dazu geführt, dass die Europäische Kommission einen neuen Vorschlag für ein Investitionsschiedsgericht (jetzt ICS statt ISDS) vorgelegt hat. Dieser soll jetzt in die TTIP-Verhandlungen eingebracht werden.
Doch das reicht noch lange nicht, um unseren Bedenken in Sachen TTIP ausreichend Rechnung zu tragen. Wir werden daher gemeinsam mit vielen Bündnispartnern aus Gewerkschaften und NGOs weiter für einen gerechten internationalen Handel kämpfen.
Was Sie tun können
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Sie Ihr Umfeld.
Es gibt auch eine Reihe weiterer Initiativen, die Sie unterstützen können:
- In Österreich hat sich eine breite Plattform aus Gewerkschaften, NGOs und zivilgesellschaftlichen Initiativen zusammengeschlossen und organisiert als TTIP Stoppen Aktionen und Diskussionsveranstaltungen zu den Freihandelsabkommen.
- Auch Klein- und Mittelunternehmer wenden sich gegen das Abkommen und haben die Initiative KMU gegen TTIP auf die Beine gestellt.
Weiterlesen
- Weitere
Beispiele, wie Staaten auf Investorenschutz verklagt werden, hat Erich Möchel
für FM4 recherchiert. Lesen Sie seinen Artikel "Klagen auf Investorenschutz eskalieren".
- Umfassende Infos zu TTIP und CETA finden Sie in
unserem Positionspapier.
- Mehr Infos zum Investorenschutz und Klagen vor privaten Schiedsgerichten finden Sie in diesem Kapitel.
- Warum Sonderklagerechte für Konzerne nicht reformierbar sind, hat die AK-Expertin Elisabeth Beer in diesem ausführlichen Artikel für WISO argumentiert.
- Welche Erfahrungen mit ISDS Kanada bereits unter dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA gemacht hat, und was durch TTIP und CETA zu erwarten ist, hat Maude Barlow zusammengefasst.
Weitere Videos...
Die NGO Corporate Europe Observatory erklärt, wie ISDS funktioniert:
Die WDR-Sendung „Monitor“ hat schon 2013 recherchiert, wie Big Business politische Entscheidungen aushebelt: