Arbeitsmedizin © vegefox.com, stock.adobe.com
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16.4.2021

Studie zu Personalprognose der MTD-Berufe bis 2030

Die Coronakrise hat gezeigt, wo die Bruchstellen im Gesundheitssystem verlaufen. Eine davon ist der Personal- und Nachwuchsmangel in den sieben hochqualifizierten Berufen des gehobenen medizinisch-technischen Dienstes (MTD): Biomedizinische AnalytikerInnen, DiätologogInnen, ErgotherapeutInnen, LogopädInnen, OrthoptistInnen, PhysiotherapeutInnen, RadiologietechnologInnen. Die AK hat eine Studie in Auftrag gegeben, die erstmals den MTD-Personalbedarf bis 2030 erhebt.

AK Präsidentin Renate Anderl: „Die Bundesregierung hat derzeit stark die Pflegeberufe im Blick. Das ist gut und wichtig, denn in der Gesundheits- und Krankenpflege gibt es ohne Zweifel viel zu tun. Dabei übersieht sie aber die vielen Berufsangehörigen aus anderen Bereichen, ohne deren Arbeit die hochwertige Gesundheitsversorgung in Österreich nicht laufen würde. Die AK hat darum die vorliegende Studie in Auftrag gegeben, um erstmalig eine Prognose für den zukünftigen Personalbedarf in den sieben MTD-Berufen zu erstellen.“ 

Im Rahmen der „Initiative investieren“ stellt die AK ganz konkrete Maßnahmen vor, um die Folgen der Krise zu bewältigen. Renate Anderl: „Die Therapie heißt: investieren, investieren und nochmals investieren. Und zwar mit dem Ziel, den Sozialstaat zu stärken, grüne Infrastruktur aufzubauen und gute und nachhaltige Jobs zu schaffen.“

Eine Möglichkeit sind Investitionen in die hochqualifizierten Zukunftsberufe, die unter dem Titel „Medizinisch-technische Dienste“ oder kurz MTD-Berufe zusammengefasst sind. Bislang wusste man in Österreich sehr wenig über Anzahl und Arbeitsorte dieser Berufsgruppe. Erst das Gesundheitsberuferegister hat es ermöglicht, Aussagen über die MTD-Berufe zu treffen. 

Studie

Präsentation

Factsheets


Pressegespräch

Das Pressegespräch „Initiative investieren – Studie zu Personalprognose der MTD-Berufe bis 2030“ finden Sie hier:


Handlungsbedarf bei MTD-Berufen

Bei MTD-Berufen besteht Handlungsbedarf. Bis 2030 sind zumindest 10.100 neu ausgebildete Personen in den sieben MTD-Sparten notwendig. Wenn die Arbeits- und Leistungsqualität noch verbessert werden sollen – was aus Sicht der AK unbedingt erforderlich ist –  ist ein Ausbau österreichweit notwendig. Hier muss schon jetzt bei der Ausbildung angesetzt werden. Denn für alle MTD-Berufe braucht es ein Studium an einer Fachhochschule, und es dauert zumindest 3 Jahre, bevor neu ausgebildete Berufsangehörige in den Beruf einsteigen können. Derzeit ist Österreich in vielen der MTD-Berufe weit davon entfernt, auch im kommenden Jahrzehnt genug Personal zur Verfügung zu haben, um eine ausreichende Gesundheitsversorgung durchführen zu können.

Personalbedarf bis 2030 

Studienautorin Elisabeth Rappold von der GÖG: „Ausgehend von den Zahlen aus dem Gesundheitsberuferegister hat die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) den Personalbedarf bis 2030 in vier Szenarien berechnet. Dabei wurde der Ersatzbedarf durch den Ersatz von Pensionierungen als auch der Zusatzbedarf aufgrund von demografischen Faktoren und besserer Versorgung berücksichtigt.“ 

Bis 2030 müssen 4.800 in Pension gehende Angehörige der MTD-Berufe neu besetzt werden - das gilt für alle Szenarien. 

Alleine durch die demografische Entwicklung ist mit einem weiteren zusätzlichen Bedarf von 5.300 Personen zu rechnen. Deshalb werden bis 2030 mindestens 10.100 zusätzliche Personen in den MTD-Berufen gebraucht (Basisfallszenario). Spitzenreiter ist dabei die Physiotherapie mit einem Mehrbedarf von fast 4.000 Menschen, gefolgt von den Biomedizinischen AnalytikerInnen mit knapp 1.800 und 1.730 Personen in der Radiologietechnologie. Danach folgt schon die Ergotherapie, in der rund 1.300 zusätzliche Leute gebraucht werden. Etwas geringer fällt der Bedarf in der Logopädie mit rund 700 Personen, fast 500 Personen in der Diätologie und 122 Berufsangehörigen der Orthoptik aus. 

Soll nun die Versorgungsqualität für die PatientInnen und die Arbeitsqualität für die Berufsangehörigen verbessert werden, steigen auch die Bedarfszahlen. 

Arbeitsfähigkeit der Krankenhäuser sicherstellen

Die Bedarfsprognose zeigt, dass es im Bereich der Biomedizinischen Analytik und der Radiologietechnologie einen hohen Bedarf gibt, der mit den verfügbaren Ausbildungskapazitäten schon aktuell nicht mehr gedeckt werden kann. Es entsteht eine Personallücke in den Laboren und radiologischen Abteilungen, die den Betrieb in den Krankenanstalten massiv gefährdet, da es zunehmend schwierig wird, offene Stellen zu besetzen, AbsolventIinnen für den Krankenhausbetrieb zu gewinnen und eine Abwanderung aus dem Beruf zu verhindern.

Hier sind dringend mehrere Verbesserungsschritte parallel erforderlich. Zum einen müssen die Ausbildungskapazitäten an die prognostizierten Bedarfe angepasst werden. Das gilt neben den genannten Biomedizinischen AnalytikerInnen und RadiologietechnologInnen auch für die kleine Berufsgruppe der OrthoptistInnen.

Die große AK-Befragung „Wo drückt der Schuh“ hat gezeigt, dass ArbeitnehmerInnen in der Biomedizinischen Analytik und der Radiologietechnologie, die überwiegend im Krankenhaus tätig sind, besonders unzufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen sind, weil sie einem enormen Arbeitsdruck ausgeliefert sind und die Arbeitszeiten extrem belastend und familienfeindlich sind – vergleichbar mit dem Pflegepersonal. Damit junge Menschen und langjährige Berufsangehörige auch in den Laboren und radiologischen Abteilungen arbeiten wollen, müssen die Arbeitsbedingungen verbessert und alternsgerecht gestaltet werden.

Potenziale für die Prävention besser nutzen

In der Bedarfsstudie sind die DiätologInnen die einzige Berufsgruppe, bei der die Ausbildungen den Bedarf scheinbar in allen Szenarien gut abdecken können. Das liegt daran, dass in der Praxis die Expertise der Diätologie unsystematisch und vielfach nur anlassbezogen genutzt wird. Würden DiätologInnen beispielsweise fix in der Begleitung von Menschen mit Diabetes oder anderen Stoffwechselerkrankungen eingesetzt werden, sähe die Situation anders aus. 

Andrea Wadsack, Vorsitzende des Fachausschusses für Gesundheitsberufe und selbst ausgebildete Diätologin: „Bei der Berufsgruppe der DiätologInnen müssen die Einsatzfelder klarer definiert werden, um die Bedeutung dieser Berufssparte, die sie für das Gesundheitswesen hat, transparenter zu machen.  

Die Aufgaben der therapeutischen MTD-Sparten sollten generell im Bereich der Krankheitsprävention ausgebaut werden. Kassenverträge für DiätologInnen eine seit Jahrzehnten bestehende Forderung müssen daher JETZT endlich geschaffen werden. Wir müssen grundsätzlich von der Reparaturmedizin mehr in Richtung Vorsorge gehen, die Kompetenzen der MTD nutzen und die Kapazitäten ausbauen. Investitionen in präventive Gesundheitsmaßnahmen bedeuten weniger Krankenhausaufenthalte, eine enorme Kosteneinsparung, Vermeidung von Leid und eine Verbesserung der Lebensqualität.“ Und: Eine Entlastung anderer Berufsgruppen, wenn man interprofessionelle Zusammenarbeit zugunsten Aller lebt.“

Mehr TherapeutInnen in der Langzeitpflege

Die Begleitung von älteren Menschen mit verschiedensten körperlichen und kognitiven Einschränkungen ist ein wachsender Bereich. Knapp jede sechste ErgotherapeutIn arbeitet in der Langzeitpflege oder für Menschen mit Behinderung. Dieser Anteil ist in der Physiotherapie, der Logopädie oder der Diätologie deutlich niedriger, obwohl Menschen mit Langzeitpflegebedarf deren Dienste sehr dringend benötigen würden. 

Für eine bessere therapeutische Versorgung der Menschen mit Langzeitpflegebedarf müssen die Rahmenbedingungen angepasst werden. Das beinhaltet die verstärkte Möglichkeit von therapeutischen Stellen in den Personalvorgaben für Pflegeheime oder mehr krankenkassenfinanzierte Plätze im niedergelassenen Bereich. Gute Arbeitsbedingungen sind natürlich auch in der Langzeitpflege die Voraussetzung dafür, dass man die bestens qualifizierten MTD-Berufsangehörigen gewinnen kann. 

Renate Anderl: „Die gute Nachricht ist: Die Menschen werden immer älter. Die schlechte Nachricht ist: Langzeitpflege und Krankenhausaufenthalte werden immer teurer. Ein Ausbau der Leistungen im Bereich der Vorsorge trägt dazu bei, dass die Menschen länger gesund und selbstständig bleiben. Wer hier investiert, kann nur gewinnen.“ 

Investitionen in Ausbildung erforderlich

Um die Unterversorgung in der Prävention und der Langzeitpflege nachhaltig zu verbessern, müssen nicht nur die Leistungen ausgebaut, sondern auch die entsprechenden Ausbildungen sichergestellt werden. Dafür sind im Vergleich zur heutigen Ausbildungskapazität je nach Szenario rund 2.000 bis zu 6.600 zusätzliche Ausbildungen bis 2030 erforderlich. Die geschätzten Kosten dafür bewegen sich zwischen 83 Millionen bis zu 267 Millionen Euro bis 2030.

Unsere Forderungen

  • Die Planung der Ausbildungen in den MTD-Berufen muss deutlich verbessert und an den Bedarf angepasst werden. Die Ergebnisse der vorliegenden MTD-Personalbedarfsstudie liefern dafür die Grundlagen, die bisher gefehlt haben.

  • Mehr Planstellen der MTD-Berufe in der Akutversorgung und Langzeitpflege insbesondere für die Prävention, sowie die fachliche Begleitung für Menschen mit chronischen Krankheiten, etwa durch Personalvorgaben im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) und in den Regionalen Strukturplänen der Bundesländer (RSGs).

  • Schließlich braucht es rasch mehr Krankenkassenverträge mit einheitlicher Leistungs- und Honorierungsvereinbarungen für MTD-Berufe in allen therapeutischen Sparten.

  • Gute Arbeitsbedingungen insbesondere für Angehörige der diagnostischen MTD-Berufe in den Laboren und radiologischen Abteilungen der Krankenhäuser. Hier müssen Maßnahmen gegen hohen Arbeitsdruck und personelle Unterbesetzung und für planbare Arbeits- bzw. Freizeit sowie für gute berufliche Entwicklungsmöglichkeiten gesetzt werden. Sonst werden die Personalprobleme auch in den MTD-Berufen deutlich zunehmen.

  • Entsprechende gesetzliche Regelungen um professionelle Weiterentwicklung für dringend notwendige Spezialisierungen in Form von Masterstudiengängen zu ermöglichen sowie die bessere Durchlässigkeit von Medizinischen Assistenzberufen zu Berufen der MTDs.

  • Erweiterung des Gesundheitsberuferegisters um das Arbeitszeitausmaß. Nur so können die Prognosen aussagekräftiger und treffsicherer werden.

  • Der Personalbedarf in den medizinischen Assistenzberufen (MAB) und bei den diplomierten medizinisch-technischen Fachkräften (DMTF) kann derzeit überhaupt nicht eingeschätzt werden. Deshalb müssen auch diese Berufe in das Gesundheitsberuferegister aufgenommen werden. Schließlich erbringen auch sie unentbehrliche Leistungen für die Gesundheit der Menschen in Österreich.  

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