So halten wir das Gesundheitswesen am Laufen!
Eine neue Studie zeigt: Wir bräuchten schon 2020 allein in den Krankenanstalten ein Personalplus bei den MTD-Berufen von drei Prozent bzw. 364 Personen mehr, um das personelle Niveau des Jahres 2017 halten zu können. 2025 liegt der Mehrbedarf in den Krankenhäusern bereits bei plus neun Prozent bzw. 950 zusätzlichen MitarbeiterInnen in den MTD-Berufen und 2030 sind wir bei plus 15 Prozent oder 1.545 zusätzlichen Personen.
Geht es um die Gesundheitsberufe, stehen häufig ausschließlich Ärztinnen und Ärzte im Mittelpunkt. Die große Vielzahl der anderen Gesundheitsberufe wird selten wahrgenommen. Die Konzentration auf einzelne Gesundheitsberufe reicht allerdings nicht aus, denn nur die Gesamtheit aller Gesundheitsberufe kann eine gute Gesundheitsversorgung sicherstellen.
Eine der brennendsten aktuellen Fragen ist die zunehmende Personalknappheit in den Gesundheitsberufen. Die Antwort auf diese Herausforderung wird entscheidend dafür sein, ob die Menschen in Österreich auch in Zukunft mit einem ausreichenden Ausmaß an Gesundheits- und Langzeitpflegeleistungen rechnen können.
Die alte Regierung hat zwar eine Studie zum Personalengpass in den Pflegeberufen in Auftrag gegeben – unzweifelhaft ein aktuelles und drängendes Thema –, die Situation anderer zentraler Berufe wurde jedoch nicht einmal diskutiert.
So gibt es bis heute keine Informationen zur Situation der sieben Berufsgruppen der gehobenen medizinisch-technischen Dienste, kurz als MTD-Berufe bezeichnet. Diese Gruppe umfasst wichtige therapeutische Berufe, wie Physiotherapie, Ergotherapie, Diätologie, Logopädie und Orthoptik sowie die biomedizinische Analytik und die Radiologietechnologie, ohne die moderne Labordiagnostik, bildgebende Diagnostik oder Strahlentherapie nicht möglich wären.
Dieser Umstand wurde von Gewerkschaften, Berufsverbänden und Expertinnen und Experten der AK im Rahmen ihres regelmäßigen Austauschs erkannt und diskutiert. Vor diesem Hintergrund wurde entschieden, dass man nicht länger auf die säumige Politik warten kann. Die AK Wien beauftragte deshalb gemeinsam mit dem Fachausschuss für Gesundheitsberufe eine Studie zum Personalbedarf der sieben MTD-Berufe, um Entscheidungsgrundlagen für die Zukunft zu erarbeiten. Die Arbeiten an der Studie werden bis in zweite Halbjahr 2020 andauern.
Die Zukunft der MTD-Berufe
Im Rahmen dieser Studie sollen wesentliche Fragen aufgearbeitet werden:
- Welcher Personalbedarf in den sieben MTD-Berufen zeichnet sich aufgrund der demografischen Entwicklungen und der bevorstehenden Pensionierungswellen ab?
- Wie wird sich die Situation in den Krankenanstalten aber auch im niedergelassenen Bereich und in der Langzeitversorgung entwickeln?
- Wie sieht die Ausbildungslandschaft im Bereich der MTD-Berufe aus?
- Welche Schlussfolgerungen kann man aus unterschiedlichen Prognose-Szenarien ziehen?
Nun können wir die ersten Zwischenergebnisse vorstellen, die den Stand der Berufsausbildungen darstellen und eine erste Abschätzung des demografisch bedingten Mehrbedarfs an MTD-Berufen liefern.
Auch in den MTD-Berufen stark steigender Personalbedarf
Eines kann schon vor Abschluss der Gesamtstudie gesagt werden: die demografische Entwicklung bewirkt einen deutlichen Mehrbedarf an allen MTD-Berufen.
2020 – also schon nächstes Jahr – bräuchten wir allein in den Krankenanstalten ein Personalplus bei den MTD-Berufen von 3% bzw. 364 Personen mehr, um das personelle Niveau des Jahres 2017 halten zu können. 2025 liegt der Mehrbedarf in den Krankenhäusern bereits bei + 9% bzw. 950 zusätzlichen MitarbeiterInnen in den MTD-Berufen und 2030 sind wir bei + 15% oder 1.545 zusätzlichen Personen.
Dabei sind in diesen Zahlen viele wichtige Faktoren noch gar nicht eingerechnet: der Ersatz für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den nächsten Jahren in Pension gehen werden, Veränderungen der Erwartungen an die Versorgungsangebote, Entwicklung der Teilzeitquote und anderes mehr.
Absoluter demografisch bedingter Mehrbedarf an MTD-Berufen in Krankenanstalten im Vergleich zum Jahr 2017 in Personen
2020 | 2025 | 2030 | |
---|---|---|---|
Biomed. Analytik | +93 | +244 | +393 |
Diätologie | +18 | +46 | +74 |
Ergotherapie | +33 | +87 | +140 |
Logopädie | +14 | +35 | +57 |
Orthoptik | +4 | +10 | +15 |
Physiotherapie | +103 | +269 | +433 |
Radiologietechnologie | +99 | +259 | +433 |
SUMME MTD-Berufe | +364 | +950 | +1.545 |
Relativer demografisch bedingter Mehrbedarf an MTD-Berufen in Krankenanstalten im Vergleich zum Jahr 2017 in Prozent
2020 | 2025 | 2030 | |
---|---|---|---|
Biomed. Analytik | +3% | +9% | +14% |
Diätologie | +4% | +9% | +15% |
Ergotherapie | +3% | +9% | +14% |
Logopädie | +4% | +9% | +15% |
Orthoptik | +4% | +10% | +15% |
Physiotherapie | +3% | +9% | +14% |
Radiologietechnologie | +3% | +9% | +15% |
SUMME MTD-Berufe | +3% | +9% | +15% |
MTD-Ausbildungen: Jung und weiblich
Im Schnitt ist eine wachsende Anzahl von Studierenden und AbsolventInnen pro Jahr seit 2011 in den meisten MTD-Sparten zu beobachten, auch wenn es zwischen den einzelnen Jahren Schwankungen gibt. Im Wintersemester 2011/12 belegten 3.285 Personen einen FH-Studienplatz in einer der MTD-Sparen, im Wintersemester 2017/18 waren es 3.950 Studierende.
In den Studiengängen zeigt sich ein sehr hoher Frauenanteil von 90 Prozent und mehr. Lediglich in der Radiologietechnologie und der Physiotherapie liegt der Männeranteil bei rund einem Viertel.
Zudem sind die Studierenden eher jüngere Personen, die häufig direkt nach der Matura in die Ausbildungen einsteigen. QuereinsteigerInnen in die MTD-Berufe sind eine Seltenheit.
Das Interesse an den sieben MTD-Berufen ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während es in der Physiotherapie im Wintersemester ein Verhältnis von 17,6 BewerberInnen pro AnfängerIn gab, lag dieses Verhältnis in der Radiologietechnologie bei lediglich 3,2 BewerberInnen pro Studienplatz.
Daran zeigt sich, dass die beiden analytischen MTD-Berufe, die Radiologietechnologie und die Biomedizinische Analytik, besondere Aufmerksamkeit brauchen. Ohne diese Berufe läuft kein Krankenhaus und keine sinnvolle medizinische Diagnostik. Doch die Anzahl der BewerberInnen pro Studienplatz und auch jene der AbsolventInnen liegt unter jener in anderen Sparten. Damit scheint das Nachwuchsproblem in diesen Berufen besonders ausgeprägt zu werden.
Im Vergleich zu anderen MTD-Berufen gibt es in den Ausbildungen zur Biomedizinischen Analytik und zur Radiologietechnologie die höchsten Drop-out-Quoten. Auch liegt auch die Vermutung nahe, dass die tatsächlichen Arbeitsbedingungen für viele junge Menschen nicht sehr attraktiv scheinen. Die AK-Gesundheitsberufe-Umfrage „Wo drückt der Schuh?“ hat gezeigt, dass die RadiologietechnologInnen im Kreis der MTD-Berufe am unzufriedensten mit Ihrer Arbeitssituation sind.
Es stellt sich die Frage, ob das aktuelle Ausbildungsniveau generell ausreichen wird, um den demografisch und pensionierungsbedingten zusätzlichen Bedarf in den MTD-Berufen zu decken. Denn noch nicht untersucht wurde, wie viele der AbsolventInnen schlussendlich tatsächlich den erlernten Beruf ausüben. Aktuell gibt es Indizien dafür, dass nicht alle in einem MTD-Beruf Ausgebildeten auch in das entsprechende Arbeitsfeld gehen und damit wertvolle MitarbeiterInnen verloren werden.
Verbesserungspotenziale
Wichtigste Maßnahme:
- Mehr Ausbildungsplätze schaffen und Finanzierung dafür garantieren
Die vorliegenden Zwischenergebnisse zeigen Potenziale bei Männern und QuereinsteigerInnen auf – zwei Personengruppen, die bislang nur in geringem Ausmaß in die MTD-Berufe kommen.
Sinnvolle Maßnahmen um ausreichend Menschen für die MTD-Berufe zu gewinnen sind:
- Studiengebühren für FH Gesundheitsberufe abschaffen, um den Einstieg in den Beruf zu attraktiver zu gestalten.
- Selbsterhalterstipendium über das 35. Lebensjahr hinaus gewähren, damit auch Wieder- und QuereinsteigerInnen der Bildungsweg Richtung Fachhochschulen offensteht.
- Verbesserung des Bekanntheitsgrades der sieben MTD-Berufen unter SchülerInnen an höheren Schulen
- Gezieltes Bewerben und Erhöhen der Attraktivität der MTD Berufe für Männer